Am Palmsonntagswochenende findet eine szenische Lesung aus Jaan Kross´Werk „Das Leben des Balthasar Rüssow“ (estn.: „Kolme katku vahel“) in Tallinn und Tartu statt.
Jaan Kross (1920-2007) wurde sowohl von der nationalsozialistischen wie von der sowjetischen Diktatur inhaftiert. Nach seiner Rückkehr aus mehrjähriger Lagerhaft in Sibirien begann er zu schreiben. Er wurde mehrfach für den Literaturnobelpreis nominiert, seine Werke wurden auch ins Deutsche übersetzt. Seine autodidaktisch in Archiven erworbenen historischen Kenntnisse verhalfen ihm dazu, Regimekritik so zu äussern, dass sie sich zwar oberflächlich auf vergangene Machthaber bezog, aber vom Leser als aktuell verstanden werden konnte (ähnlich wie im estn. Filmklassiker „Viimne Reliikvia“).
Balthasar Rüssow (1536-1600) war einer der ersten Pfarrer der estnischsprachigen Gemeinde Tallinns und vermutlich selbst Este. Er wirkte an der Heiligeistkirche in Tallinn, hatte in Stettin an der dortigen Akademie studiert und in Wittenberg bei Philipp Melanchthon Theologie gehört. Seine auf niederdeutsch verfasste Chronik (Alt-)Livlands ist das erste Schriftdenkmal, das die estnische Sicht auf die Kreuzzüge des 13. Jahrhunderts und massive Kritik an der Obrigkeit des 16. Jhdts. äussert, weshalb es seinerzeit Versuche gab, ihr Erscheinen zu unterdrücken (ähnlich wie bei der vor 500 Jahren gedruckten estn. Messordnung, die das estnische „Buchjahr“ in diesem Jahr feiert: Es handelte sich um das erste gedruckte Dokument in estnischer Sprache, es wurde in Lübeck gedruckt, jedoch nie ausgeliefert. Zehn Jahre später (1535) erging es dem in Wittenberg gedruckten Katechismus von Wanradt und Koell ähnlich. Von ihm ist nur ein kleiner Teil erhalten, der als Material für Buchdeckel wiederverwendet und dadurch gerettet wurde).
Die szenische Lesung „Der Seiltänzer“ wird von Wolfgang Wagner und Katharina Groth gestaltet.
In Tallinn findet die Veranstaltung am Samstag, dem 12.4. um 18 Uhr in der Heiliggeistkirche/Pühavaimu kirik (der Pfarrkirche von Balthasar Rüssow), Pühavaimu 2 statt.
In Tartu findet die Veranstaltung am Sonntag, dem 13.4. (Palmsonntag) um 18 Uhr im Saal des Deutschen Kulturinstituts, Kastani 1 statt.
